Immobilienmarkt Hamburg aktuell | Dezember 2021

AMPEL WILL

„MEHR FORTSCHRITT WAGEN“

400.000 Wohnungen will die neue Koalition aus SPD, Grünen und FDP bauen, davon 100.000 öffentlich gefördert. Nach dem Hamburger Modell ist ein Bündnis bezahlbarer Wohnraum geplant. Dazu soll die Anhebung der linearen Abschreibung auf 3 % sorgen, aber auch eine neue Wohngemeinnützigkeit. Der Mietspiegel soll aus Mietverträgen der letzten sieben Jahre errechnet und Wohneigentum  stärker gefördert werden.

Ein wenig Déjà-vu ist dabei, wenn man Olaf Scholz als Chef einer neuen Regierung sieht und zu den wichtigsten Punkten auf der Regierungsagenda die Förderung des Wohnungsbaus gehört. Vor gut zehn Jahren trat Scholz sein Amt als Erster Bürgermeister von Hamburg an, versprach 6.000 neue Wohnungen im Jahr und initiierte das „Bündnis für das Wohnen“ zur Umsetzung.

 

Hamburger Modell mit Hamburgern

 

Als künftiger Kanzler erklärt der SPD-Politiker bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages: „400.000 neue Wohnungen pro Jahr werden wir bauen, davon 100.000 öffentlich gefördert.“ Dazu soll ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum mit allen wichtigen Akteuren“ geschlossen werden. Und unter den wichtigen Akteuren sind viele, die bereits vor zehn Jahren an der Hamburger Wohnungsoffensive beteiligt waren oder sie eng begleitet haben.

 

Andreas Ibel, Präsident des BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, war bis 2014 als Vorstandsvorsitzender des BFW Nord einer der Gründer des ersten Bündnisses für das Wohnen. ZIA-Präsident Andreas Mattner lebt in Hamburg, war hier bis 2008 mit Schwerpunkt Bauwesen für die CDU in der Bürgerschaft und ist seit 1993 in der ECE-Geschäftsführung. Axel Gedaschko, seit 2011 Präsident des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, war zuvor für die CDU Stadtentwicklungs- und dann Wirtschaftssenator in Hamburg.

 

Mattner wie Gedaschko loben das Hamburger Modell immer wieder als Blaupause für gelungene Wohnungspolitik – im Kontrast zum Berliner Modell. Und last not least wird die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Dorothee Martin als Staatssekretärin für das neue Bauministerium gehandelt, das neu geschaffen künftig von der SPD geführt wird.

 

Und so gab es bei den Lobbyverbänden der Immobilienwirtschaft beim Blick auf den Koalitionsvertrag eine gewisse Erleichterung – aber nicht nur. Kritisch wird etwa die „neue Wohngemeinnützigkeit“ gesehen, die mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen dauerhaft bezahlbaren Wohnraum schaffen soll. Um der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft die folgenden Rahmensetzungen schmackhafter zu machen, wird die lineare Abschreibung von 2 % auf 3 % erhöht.

„Das ambitionierteste Klimaprogramm einer Industrienation“

 

„Es ist das ambitionierteste Klimaprogramm einer Industrienation“, erklärt Christian Lindner, FDP-Chef und künftiger Finanzminister, zum Schwerpunktthema Klimaschutz. „Was politisch und ökonomisch möglich ist, ist in diesem Programm beschrieben.“ Nach dem Auslaufen der Neubauförderung für den KfW-Effizienzhaus-55-Standard im Februar 2022 soll ein Förderprogramm eingeführt werden, das insbesondere auf die Treibhausgas-Emissionen (THG Emissionen) pro m2 Wohnfläche fokussiert.

 

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) soll ab dem 1. Januar 2025 festlegen, dass jede neue Heizung zu 65 % mit erneuerbarer Energie betrieben wird und die Neubaustandards an den KfW-EH-40-Standard angepasst werden. Im Bestand sollen ab dem 1. Januar 2024 die auszutauschenden Teile dem KfW-EH-70-Niveau entsprechen. Grundsätzlich sollen Sanierungsfahrpläne gefördert und für Wohnungseigentumsgemeinschaften (WEG) und beim Kauf eines Gebäudes kostenlos angeboten werden.

 

Fortgeschrieben wird der technologieoffene Innovationsansatz sowie der Quartiersansatz beim Klimaschutz. Als Einstieg in die Kreislaufwirtschaft / Urban Mining bzw. Cradle-to-cradle ist ein digitaler Gebäuderessourcenpass geplant. „Wir sind auf dem 1,5°C-Pfad mit dem Koalitionsvertrag“, betont Robert Habeck, Noch-Grünen-Chef und künftiger Wirtschafts- und Klimaminister.

Mieterschutz

 

Beim Mieterschutz sollen die bisherigen Regelungen evaluiert und verlängert werden bis genug bezahlbarer Wohnraum neu gebaut wurde. Die Mietpreisbremse etwa soll es bis mindestens 2029 geben. Verschärft wird die Kappungsgrenze in angespannten Wohnungsmärkten von jetzt 15 % in drei Jahren auf künftig 11 %.

 

Stark kritisiert wird, dass der qualifizierte Mietspiegel – der künftig für alle Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern Pflicht wird – aus den Mietverträgen der letzten sieben Jahre errechnet wird. Bis dato sind es vier Jahre. „Wird das ernsthaft umgesetzt, sind die Mieten für sieben Jahre eingefroren“, warnt Mattner.

 

Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgericht zum Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten stellt die Ampel-Koalition eine Prüfung in Aussicht, ob es gesetzgeberischen Handlungsbedarf gibt. Hamburg und Berlin hatten bereits Initiativen zur Novellierung auf Bundesebene angekündigt.

Wohneigentum fördern, Geldwäsche bremsen

 

Selbstgenutztes Wohneigentum will die Ampel durch eigenkapitalersetzende Darlehen fördern, durch Tilgungszuschüsse und Zinsverbilligungen für Schwellenhaushalte oder durch eine Flexibilisierung der Grunderwerbsteuer, die den Ländern einen Freibetrag zum Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums ermöglicht. Die Refinanzierung soll durch „das Schließen von steuerlichen Schlupflöchern beim Immobilienerwerb von Konzernen (Share Deals)“ erfolgen.

 

Die Möglichkeit, illegal erwirtschaftete Kapitalerträge durch den Kauf von Immobilien zu waschen, soll eingeschränkt werden. „Dazu gehört der Versteuerungsnachweis für gewerbliche und private Immobilienkäufer aus dem Ausland“ sowie „ein Verbot des Erwerbs von Immobilien mit Bargeld“.

 

Scholz wies zu Anfang der Pressekonferenz darauf hin, dass die erste Ampel in Deutschland 1924 am Potsdamer Platz in Betrieb gegangen sei – misstrauisch kommentiert von Zeitgenossen. „Heute ist die Ampel nicht mehr wegzudenken, wenn es darum geht, die Dinge klar zu regeln.“

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GENEHMIGUNGSPFLICHT FÜR DIE AUFTEILUNG VON ZINSHÄUSERN

Anfang November beschloss der rotgrüne Senat, für die Aufteilung von Zinshäusern mit mehr als fünf Wohnungen eine Genehmigungspflicht einzuführen – für die es nur wenige Ausnahmen gibt. Aus Perspektive der privaten Wohnungswirtschaft folgt daraus lediglich eine Verknappung samt Verteuerung von Eigentumswohnungen – und auch der Mietwohnungsmarkt werde nicht entspannt.

Hamburg ist das erste Bundesland, dass die Instrumente des Baulandmobilisierungsgesetzes in Gänze anwendet. Am 2. November beschloss der von SPD und Grünen gebildete Hamburger Senat die „Verordnung über die Einführung einer Genehmigungspflicht für die Bildung von Wohneigentum nach § 250 Absatz 1 Satz 3 Bau GB“.

 

Genehmigungspflicht gilt in Häusern mit sechs und mehr Wohneinheiten

 

Dorothee Stapelfeldt (SPD), Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, konkretisierte Inhalt und Ziel dieser Rechtsverordnung. „Die Umwandlung bestehender Miet- in Eigentumswohnungen bedarf jetzt für Häuser mit sechs und mehr Wohneinheiten im gesamten Stadtgebiet einer Genehmigung. Denn es kann und darf nicht mehr sein, dass Mieterinnen und Mieter durch die Umwandlung aus ihren Quartieren verdrängt werden und Wohnungen dem Mietwohnungsmarkt entzogen werden.“

Ausnahmen sind nur vorgesehen, wenn etwa im Rahmen einer Erbauseinandersetzung der Nachlass unter den Erben verteilt werden muss, wenn der Eigentümer die Wohnung an einen Familienangehörigen zur eigenen Nutzung verkauft oder sofern mindestens zwei Drittel der Wohnungen an die aktuellen Mieter veräußert werden.

Senat erwartet bei Aufteilung „Eigenbedarfskündigungen oder aufwändige Sanierungen“

 

In einer Mitteilung konkretisierte der Senat die Notwendigkeit der Genehmigungspflicht aus seiner Perspektive: „Handlungsbedarf besteht, da auf Umwandlungen bislang günstiger Wohnungen oft Eigenbedarfskündigungen oder aufwändige Sanierungen folgen sowie schließlich die Weitervermietung zu Preisen, die für die ursprünglichen Mieterinnen und Mieter unerschwinglich sind.“

 

Voraussetzung nach dem Baulandmobilisierungsgesetz ist für die Genehmigungspflicht einer Umwandlung in ganz Hamburg, dass der Senat das gesamte Stadtgebiet als angespannten Wohnungsmarkt deklariert. Als Beleg der Wirksamkeit der Genehmigungspflicht von Aufteilungen wird die Zahl der Abgeschlossenheitsbescheinigungen in Gebieten ohne und mit Sozialer Erhaltungsverordnung verglichen.

 

Abgeschlossenheitsbescheinigungen sind eine schwache Datenbasis

 

2015 bis 2019 wurden in Hamburg Abgeschlossenheitsbescheinigungen für 14.777 Wohnungen ausgestellt. In Gebieten mit Sozialer Erhaltungsverordnung waren es im gleichen Zeitraum nur 588 Bescheinigungen. Für 2020 liegt die Zahl der Bescheinigungen bislang nur für die 16 Wohngebiete vor, in denen die Soziale Erhaltungsverordnung gilt: überdurchschnittliche 715.

„Die Genehmigungspflicht schafft eine Lose-lose-Situation. Durch das de facto Umwandlungsverbot entsteht keine einzige günstige neue Mietwohnung und die Verknappung des Angebots von Eigentumswohnungen macht sie für viele noch unerschwinglicher.“

Cornelius Jebe

Geschäftsführender Gesellschafter ZK Grundinvest

Für Cornelius Jebe, Geschäftsführender Gesellschafter der ZK Grundinvest, schafft die Genehmigungspflicht der Umwandlung eine „Lose-lose-Situation. Durch das de facto Umwandlungsverbot entsteht keine einzige günstige neue Mietwohnung und die Verknappung des Angebots von Eigentumswohnungen macht sie für viele noch unerschwinglicher.“ Zielführender sei es, wenn die Stadt das Angebot günstiger Eigentumswohnungen fördere – etwa den Kauf durch die Mieter mit Eigenkapitaldarlehen oder Bürgschaften ermögliche.

 

Das Gros der umgewandelten Wohnungen bleibt vermietet

 

Jebe erläutert, dass das Gros der umgewandelten Mietwohnungen weiter vermietet bleibt, weil es sich bei den Käufern meist um Kleinanleger handelt. „Zudem sind Eigenbedarfskündigungen gesetzlich zehn Jahre lang ausgeschlossen und Mietpreis- sowie Kappungsgrenze regulieren die Mieten.“ Es gebe zudem keine Statistiken, die belegen, dass es nach Umwandlungen vermehrt zu Kündigungen komme oder die Mieten stärker erhöht würden – insofern ist mehr als fraglich, auf welche Daten Dorothee Stapelfeldt sich bezieht. „Sollte es dazu doch Belege geben, wäre es sinnvoller, den Mieterschutz in aufgeteilten Wohnungen noch weiter zu verbessern, statt die Umwandlung zu verbieten und damit Kleinanleger um die Chance zu bringen, zu investieren.“

 

Mit der Rechtsverordnung zur Genehmigungspflicht der Aufteilung hat der Senat in Hamburg nun den Instrumentenkasten des im Juni vom Bund beschlossenen Baulandmobilisierungsgesetzes komplettiert. Voraussetzung für mehrere dieser Instrumente ist die Erklärung, dass Hamburg in Gänze ein angespannter Wohnungsmarkt ist. Diese aus Sicht der Wohnungswirtschaft undifferenzierte Zuordnung wurde bereits für die Mietpreisbremse getroffen und nun erneut für die Umsetzung des Baulandmobilisierungsgesetzes.

Abweichung vom B-Plan und Baugebot

 

Bereits seit dem 13. Juli wirksam ist etwa die neue Genehmigungsregelung für Wohnungsbau nach § 31 Abs. 3 des Baugesetzbuches (BauGB). Damit können Wohnungsbauprojekte zugelassen werden, die in bestimmten Punkten vom bestehenden Bebauungsplan (B-Plan) abweichen – etwa eine höhere Verdichtung oder mehr Geschosse.

 

Ein weiterer Aspekt zur Beschleunigung des Bauens ist das Baugebot. Die Kommune kann damit Wohnungsbau in den Grenzen des B-Plans anordnen, selbst wenn auch andere Nutzungen zugelassen sind – etwa in urbanen Gebieten oder Mischgebieten. Wenn die Eigentümer wirtschaftlich nicht in der Lage sind, dem Baugebot nachzukommen, können sie von der Kommune verlangen, ihnen das Grundstück abzukaufen. Den Ankauf kann die Kommune an eine kommunale Wohnungsgesellschaft, Genossenschaft oder ein sonstiges gemeinwohlorientiertes Wohnungsunternehmen delegieren.

 

„Gut ist, dass durch Baugebote der Spekulation mit Grundstücken Einhalt geboten werden kann“, betont Matthias Baron und würdigt auch die Option, unkomplizierter von den Vorgaben des B-Plans abzuweichen.

 

Eigentümer haben im unbeplanten Innenbereich künftig Anrecht auf eine Baugenehmigung, sofern sich das Bauvorhaben städtebaulich integriert, während die Kommunen mit dem sektoralen Bebauungsplan Vorgaben zur Art der Bebauung machen können, etwa öffentlich geförderte Wohnungen zu errichten.

 

Das Thema Vorkaufsrecht – ebenfalls Teil des Instrumentenkastens des Baulandmobilisierungsgesetzes – hat durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November eine neue Dynamik bekommen und wird im anschließenden Artikel separat behandelt.

 

Cornelius Jebe formuliert die grundsätzliche Kausalkette: „Mehr Regulierung, weniger Investitionen, weniger Wohnungen, höhere Preise. Damit steht die Politik sich bei der Entspannung des Wohnungsmarktes selbst im Weg.“

HAMBURG BEANTRAGT NACH BVERWG-URTEIL NOVELLIERUNG DES VORKAUFSRECHTS

SPD und Grüne wollen im Baugesetzbuch den Rahmen für das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten novellieren. Anlass ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November, dass den Gemeinden verbietet, das Vorkaufsrecht mit der Annahme zu begründen, dass der Käufer Absichten verfolgt, die dem Milieuschutz entgegenstehen. Dazu haben die beiden Parteien am 18. November einen Antrag zur Bürgerschaft vorgestellt.

Aktuell wird das Thema Vorkaufsrecht jedoch noch einmal grundsätzlich diskutiert. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte mit Urteil vom 9. November entschieden, dass „das Vorkaufsrecht für ein Grundstück, das im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung bzw. -verordnung liegt, von der Gemeinde nicht auf Grundlage der Annahme ausgeübt werden darf, dass der Käufer in Zukunft erhaltungswidrige Nutzungsabsichten verfolgen werde“.

 

Berliner Wohnungsunternehmen bekam drittinstanzlich Recht

 

Gegen die Ausübung des Verkaufsrechts hatte das Berliner Wohnungsunternehmen Pohl & Prym geklagt, das ein Gründerzeithaus von 1889 mit 20 Mietwohnungen und zwei Gewerbeeinheiten in einem Milieuschutzgebiet erwerben wollte. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg übte sein Vorkaufsrecht zugunsten einer landeseigenen Wohnungsgesellschaft aus, um der Gefahr zu begegnen, dass nach dem Kauf die Wohnungen aufgewertet und Mieten erhöht würden oder eine Umwandlung in Eigentumswohnungen zu erwarten sei. Das Wohnungsunternehmen hatte erklärt, keine Veränderung der Mieterstruktur anzustreben und auch keine Umwandlung in Eigentumswohnungen. Die Unterzeichnung einer Abwendungsvereinbarung lehnte es jedoch mit Verweis auf die erheblichen Eingriffe in das Eigentumsrecht ab.

 

Drittinstanzlich bekam das Wohnungsunternehmen mit dem Urteil vom 9. November Recht. Das BVerwG verwies auf den §26 Nr. 4 Alt. 2 des Baugesetzbuches (BauGB). Danach ist ein Vorkaufsrecht ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen oder Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut ist und genutzt wird und ein auf ihm errichtetes Gebäude keine Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB aufweist. Eine Prüfung, ob künftig von erhaltungswidrigen Nutzungsabsichten auszugehen sei, lasse sich aus dem Gesetzestext nicht ableiten. Damit widersprach das BVerwG dem Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom Oktober 2019.

SPD und Grüne wollen Annahme erhaltungswidriger Nutzung als Begründung

 

SPD und Grüne in Hamburg wollen die Annahme von erhaltungswidrigen Nutzungsabsichten als zulässige Begründung eines Vorkaufes im BauGB festschreiben. „Das Gericht haftet formal am Wortlaut des BauGB und lässt die in Gebieten mit SozErhVO typischerweise maßgebliche Frage, ob eine Maßnahme eine Verdrängungsgefahr für die Bürger:innen auslösen kann, unbeachtet“, heißt es in dem am 18. November vorgestellten Antrag an die Bürgerschaft. Ziel ist, den Senat zu beauftragen, sich im Bundesrat für eine entsprechende Novellierung des BauGB einzusetzen.

 

In einer ersten Stellungnahme ging die SPD-geführte Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) „nicht davon aus, dass bereits vollzogene Käufe rückabgewickelt werden müssen“. Doch man wolle die schriftliche Urteilsbegründung abwarten.

 

Tatsächlich erwarten Cornelius Jebe, Geschäftsführender Gesellschafter der ZK Grundinvest, und Matthias Baron, Geschäftsführender Gesellschafter bei Zinshausteam & Kenbo, dass es bei Vorkaufsentscheidungen für die die Widerspruchsfristen noch laufen, dem Vorkauf mit großer Wahrscheinlichkeit widersprochen werden kann. Jebe: „Das Bundesverwaltungsgericht erklärt: Das Baugesetzbuch gilt im Wortlaut. Solange sich der nicht ändert, ist die Ausübung des Verkaufsrechts auf Basis von Annahmen nicht rechtens. Punkt.“

„Das fängt schon mit Definitionsfragen an. Was ist der Verkehrswert? Doch eigentlich der Marktwert.“

Matthias Baron

Geschäftsführender Gesellschafter ZINSHAUSTEAM & KENBO

Vorkaufsrecht nach dem Baulandmobilisierungsgesetz

 

Auf die Ausübung des erweiterten Vorkaufsrechts nach dem im Mai 2021 beschlossenen Baulandmobilisierungsgesetz hat das Urteil keinen Einfluss. Hamburg hatte dieses erweiterte Vorkaufsrecht bereits im Juli in Kraft gesetzt – parallel zur Erklärung des gesamten Stadtgebiets als angespannten Wohnungsmarkt.

 

Dies vorausgesetzt, kann Hamburg das erweiterte Vorkaufsrecht stadtweit ausüben, nicht mehr nur in den Gebieten mit sozialer Erhaltungsverordnung. Möglich ist das Vorkaufsrecht für unbebaute Grundstücke, bei Schrott- und Problemimmobilien, die negativ auf das Umfeld ausstrahlen, sowie auf Grundlage einer Satzung, etwa für brachliegende oder unbebaute Grundstücke, wenn diese vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können.

Der Entscheidungszeitraum für die Stadt, das Vorkaufsrecht wahrzunehmen oder nicht, wurde von zwei auf drei Monate erweitert. Zudem wird ein Erwerb zum Verkehrswert erleichtert, statt dem im Kaufvertrag verhandelten Preis zu entsprechen.

 

„Der Verkehrswert ist der Marktwert des vergangenen Jahres“

 

Der Erwerb zum Verkehrswert werfe zahlreiche Fragen auf, so Baron. „Das fängt schon mit Definitionsfragen an. Was ist der Verkehrswert? Doch eigentlich der Marktwert. Nun wird ein Gutachter bestellt, der den Verkehrswert auf Basis von Daten etwa des Gutachterausschusses ermittelt – also Marktwerte des vergangenen Jahres. Die Stadt kauft dann also zu Preisen des vergangenen Jahres und hat so enormen Einfluss auf die Preisentwicklung. Und der Interpretationsspielraum wird zweifellos die Gerichte beschäftigen.“

ENTEIGNUNGSINITIATIVE AUCH IN HAMBURG?

Nachdem in Berlin am 26. September der Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ mit 56,4 % erfolgreich war, traf sich im Oktober auch in Hamburg eine Initiative zur Enteignung großer Wohnungsgesellschaften. Der zentrale Unterschied zwischen Elbe und Spree: in Hamburg ist die kommunale Saga das größte Wohnungsunternehmen.

„Hamburg – wann enteignen wir?“ Unter diesem Motto trafen sich im Oktober in Hamburg Aktivisten, um über die Initiierung eines Volksbegehrens zur Enteignung großer Wohnungsgesellschaften auch in Hamburg zu diskutieren. In Hamburg sei die Miete höher, als in Berlin, wo am 26. September der Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ mit 56,4 % erfolgreich war.

 

300.000 Wohnungen in Hamburg in der Hand sozialer Vermieter

 

Trotz höherer Miete sind die Rahmenbedingungen für einen Enteignungs-Entscheid in Hamburg allerdings ´ungünstiger´ als in Berlin. Während in Berlin eine Regierung aus SPD und Linken kurz nach der Jahrtausendwende 150.000 landeseigene Wohnungen verkaufte, ist in Hamburg das größte Wohnungsunternehmen, die kommunale Saga, mit rund 140.000 Wohnungen. Weitere 140.000 Wohnungen sind in Hand von Genossenschaften bzw. ihrer 400.000 Mitglieder. Hinzu kommen Wohnungen von gemeinnützigen Stiftungen etc., so dass rund 300.000 der 750.000 Hamburger Mietwohnungen in der Hand eher sozial orientierter Vermieter sind.

 

Und während eine Enteignung privater Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin 240.000 Wohnungen betreffen würde – 15 % des Wohnungsbestandes – wären es in Hamburg nur rund 30.000 Wohnungen – 4 % des Bestandes. Von den privaten Wohnungsunternehmen haben nur Vonovia, Heimstaden und TAG mehr als 3.000 Wohnungen an Elbe, Alster und Bille.

Genossenschaften müssten in Berlin ebenfalls enteignet werden

 

Ob die Enteignung trotz des gewonnenen Volksentscheides tatsächlich zustande kommt, scheint fraglich. So kommt ein vom BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen beauftragtes Rechtsgutachten der Sozietät Greenberg Traurig zum Ergebnis, dass es auf Grundlage des Beschlusstextes des Volksentscheides keine verfassungskonforme Ausnahme für Genossenschaften geben könne. Ausnahmen von der Enteignung gebe es nach dem Beschlusstext nur für Unternehmen „in kollektivem Besitz der Mieter*innenschaft oder gemeinwirtschaftlich verwaltete Unternehmen“. Doch Greenberg Traurig stellen fest, dass Genossenschaften nicht im Besitz der Mieter, sondern ihrer Mitglieder sind, die nicht Mieter sein müssen, und dass sie nicht gemeinwohlorientiert seien, sondern gewinnorientiert. Zudem gebe keine staatliche Einflussnahme zur Bedarfsdeckung der Allgemeinheit. Ausnahmen für Genossenschaften seien daher eine Ungleichbehandlung und damit nicht verfassungskonform.

 

Schon vor den Koalitionsverhandlungen in Berlin haben SPD, Grüne und Linke daher im Sondierungspapier vereinbart, dass sich zunächst ein Jahr Experten mit der Umsetzbarkeit der Enteignung beschäftigen sollen. Nach den juristischen Niederlagen bei Mietendeckel sowie Vorkaufsrecht sicherlich zielführend. Zudem würde eine Enteignung mindestens 35 Mrd. Euro Entschädigung kosten.

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